SPDqueer Baden-Württemberg

Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung

Rückblick auf die Schnittstellenkonferenz zum Thema Homophobie

Veröffentlicht am 14.12.2009 in Presseecho

Vergangene Woche fand in Hannover die 7. Schnittstellenkonferenz Sport(-pädagogik) – Jugendhilfe zum Thema Homophobie statt. In Diskussionsrunden, Vorträgen und Workshops ging es darum, die Situation von Schwulen und Lesben im Sport näher zu betrachten und Handlungsansätze für antidiskriminierende Arbeit im Sportbereich und der Jugendarbeit zu entwickeln.

Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der Deutschen Sportjugend, dem Projekt am Ball bleiben, der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) und der Camino-Werkstatt Berlin. Die 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus verschiedenen Bereichen des Sports, der Pädagogik und Politik. Nach der Begrüßung durch dsj-Vorstandsmitglied Martina Bucher ging es gleich in die einleitende Diskussionsrunde mit Tanja Walther-Ahrens (EGLSF), Steffen Schaffner (SPD und Schwusos Baden-Württemberg) und Christian Deker (Stuttgarter Junxx). Sportjournalist Christoph Ruf moderierte das Gespräch, in dem es um die eigenen Erfahrungen der Expert/innen als Schwule und Lesben im Sport ging, aber auch um die generelle Frage nach den spezifischen Hintergründen von Homophobie in diesem Bereich und die besten Strategien für ihre Bekämpfung. „Sichtbar machen“ und „die Normalität von Lesben und Schwulen herausstellen“ war eine der Antworten, die Tanja Walter-Ahrens darauf gab. Ähnlich sah es auch Christian Deker, der aus der Erfahrung als Fußballfan auf die „persönliche Überzeugungsarbeit auf Augenhöhe“ setzt. Steffen Schaffner, selbst viele Jahre als Leistungsschwimmer aktiv, bereicherte die Perspektive um eine andere und keineswegs typische „Macho“-Sportart, in der die Probleme homosexueller Sportlerinnen und Sportler jedoch auch nicht geringer sind.

Auf die Frage, wieso im Sport so schwierig bis unmöglich ist, was in anderen Bereichen wie Politik oder Kultur mittlerweile einfacher funktioniert, nämlich ein Leben und Arbeiten als offen Homosexuelle/r, lieferte Dr. Tatjana Eggeling in ihrem anschließenden Vortrag Erklärungsversuche: Im Sport stehe in ganz anderer Weise der Körper im Mittelpunkt und mit ihm vermeintliche festgelegte Definitionen von „normaler“ geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung. Homosexueller Sportler/innen seien mit diesen Vorstellungen davon, was als weiblich und männlich zu gelten habe, konfrontiert und zudem mit der ständigen Reduktion von Homosexualität auf Sexualität – prägnantestes Beispiel dafür ist die Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie und die Vorstellung einer „Ansteckungsgefahr“ etwa durch homosexuelle Trainer/innen. „Heterosexualität ist ja schließlich auch nicht ansteckend“, wie Tatjana Eggeling bemerkte. „Sonst wären wir bei unseren heterosexuellen Trainern ja wohl nicht schwul oder lesbisch geworden.“

Handlungsmöglichkeiten in Vereinen und Verbänden und Fanarbeit

Nach dem Mittagessen wurde die Arbeit in verschiedenen thematischen Workshops fortgesetzt. Im Workshop „Handlungsmöglichkeiten im Verein“ mit Gerd Wagner, am Ball bleiben, und Matthias Kook vom SV Werder Bremen ging es um die Frage, wie in Vereinen ein diskriminierungsfreies Umfeld etabliert werden kann – das dann auch etwa ein Coming-out homosexueller Aktiver unterstützen würde. Das Modell Werder Bremen diente hier als Anschauungsbeispiel. Workshop 2, „Lesbisch-schwule Fans und Fanklubs“, mit Christian Deker und Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte widmete sich spezifisch dem Fußball und der Frage, wie in der Fanszene und Fanprojektarbeit das Thema Homophobie behandelt werden kann. Die Erfahrungen der bisherigen „Aktionsabende gegen Homophobie“ in Berlin, Köln und Stuttgart und Veranstaltungen von Fanprojekten wie in Gelsenkirchen zeigen zum Beispiel, dass eine gute Vernetzung sowohl innerhalb des Fußball (Verein, Fangruppen, Fanprojekt) als auch außerhalb (schwul-lesbische Organisationen, Jugendeinrichtungen) zentral ist.

Zu den „Erfahrungen schwul-lesbischer Sportvereine“ wurde in Workshop 3 mit Roswitha Ehrke von Seitenwechsel Berlin e. V. und Jörg Schlüter von Leinebagger e. V. aus Hannover gearbeitet. Zu den Handlungsempfehlungen, die im Workshop gesammelt wurden, gehörten unter anderem die Punkte: Aufklärung und Sensibilisierung, Einführung von Diskriminierungsparagrafen und, umgekehrt, Gütesiegel für Toleranz und die Förderung von (Forschungs-)Projekten zum Thema Homophobie. Im 4. Workshop zum Thema „Die Haltung der Verbände und Vereine“ ging es mit Steffen Schaffner und Bettina Suthues von der dsj war eine zentrale Formulierung „Aktion von unten, Vorbild von oben“. Festgehalten wurde, dass Homophobie in Vereinen und Verbänden bisher nur selten thematisiert wird. Gemeinsame Aktionen mit schwul-lesbischen Vereinen und Organisationen und eine gezielte Qualifikation von Multiplikator/innen wurden hier als Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.

In der abschließenden Zusammenfassung der Ergebnisse wurde einmal mehr die zentrale Bedeutung vernetzten Handelns deutlich: Die Strukturen des Sports und der Jugendhilfe sollten sich nicht nur miteinander austauschen und kooperieren, sondern auch mit schwul-lesbischen Organisationen, um sich dem Thema Homosexualität und Homophobie im Sport zu öffnen.

Die Schnittstellenkonferenzen Sport(-pädagogik) – Jugendhilfe werden seit 2002 durchgeführt. Ziel ist es, Sport(-pädagogik) und Jugendhilfe ein Forum zu bieten, um die Möglichkeiten sportpädagogischer Angebote in der Arbeit mit Jugendlichen aus der Sicht beider Professionen zu diskutieren. Darüber hinaus soll – u. a. mit Hilfe von Best-practice-Präsentationen und mit der Unterstützung des Aufbaus überregionaler Netzwerke der Teilnehmer/innen – die Entwicklung von Ideen und Vorstellungen für weiterführende Projekte gefördert werden. Die Veranstalter sind die Deutsche Sportjugend im Deutschen Olympischen Sportbund e.V., am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung, die KOS und Camino, Berlin.

Quelle: http://www.amballbleiben.org/html/news/2009/200912/20091201.html

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